"... trotzdem ja zum Leben sagen - ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager"

 

 

 

Der berührende Bericht gibt Einblick in die Nöte der damaligen KZ-Häftlinge und schildert, wie es möglich war, in dieser unmenschlichen Zeit die Hoffnung aufrecht zu erhalten. Hier erhalten Sie eine Kurzzusammenfassung dieses Büchleins.

 Während seiner Zeit im KZ erlebte er die tiefste menschliche Entwürdigung. Er erlebte die Abstumpfung der Gefangenen und wie sie mit dieser Last umgingen. Stundenlanges Stehen in kalten Winternächten, in Lumpen gekleidet und mit zerschlissenem Schuhwerk. Lange Märsche durch Eis und Kälte zu Arbeitseinsätzen. Das Erleben, wie immer wieder selektioniert wurde, wie Menschen ausgemustert und ins Gas geschickt wurden. Die totale Entmenschlichung – die Häftlinge hatten weder Namen noch persönliche Dokumente – sie waren nur noch Nummern auf Listen. Und zu all dem kam der permanente Hunger, die Unterernährung und ebenfalls die Sorge um die eigenen Angehörigen.
 
Speziell am KZ-Leben war das provisorische Daseinsgefühl. Keiner wusste, wie lange die Haft dauern würde, ob es überhaupt ein Entkommen gäbe und wie dies dann aussehen würde. Und in dieser unsäglichen Situation, zeigte sich Frankl, wie wichtig eben dieses „Trotzdem“ ist.
 
Lagerhäftlinge, die keinen Grund mehr sahen, weshalb sie überleben sollten, verloren allen Lebensmut und begingen oft Suizid, indem sie in den Hochspannungsdraht rannten, der die Lager umgab.
 
Frankl beschreibt im Büchlein drei Phasen, die der Häftling durchlief:
 
1. Den Schock beim Eintritt ins Lager, gepaart mit der Hoffnung, dass alles doch nicht so schlimm werde, welche sich dann in den ersten Tagen in einen Galgenhumor umwandelte.
 
2. Die Apathie und die Abstumpfung des Gemüts. So lernten die Häftlinge, unempfindlich gegenüber dem täglichen Geschlagen-Werden zu werden, aber auch unempfindlich, wenn sie Zeugen wurden, wie andere geschlagen wurden. Was wehtat, war die Grundlosigkeit der Schläge, die Demütigung und Verachtung, die den Häftlingen entgegengebracht wurde. Ihr seid es nicht wert, beachtet zu werden.
 
3. Die Befreiung, die dann ganz neue Herausforderung stellte. Oft fragten sich die Befreiten: "warum habe gerade ich überlebt?" Es galt dann, den Widereinstieg ins "normale" Leben zu finden. 
 
Es ist ergreifend zu lesen, dass selbst in dieser entmenschlichten Lebenssituation die Insassen nach der Verwirklichung von Werten strebten. Wie die Häftlinge versuchten, auch im KZ zu malen, zu gestalten, zu singen und wie sie immer wieder Trost in der Schönheit der Natur suchten. Er beschreibt, wie sie manchmal, obwohl völlig entkräftet und müde, nochmals aus den Baracken humpelten, um über die Schönheit eines Sonnenuntergangs oder Regenbogens zu staunen.
 
Frankl sah seine Theorie auf tragische Weise bestätigt: Wer ein „Wofür“ hatte, der ertrug eher das „Wie“. Wer um eine Aufgabe wusste, die noch seiner harrte, eine Person, die auf ihn wartete – der war auch eher bereit, sich mit den widerwärtigen Umständen abzufinden. Doch das Ziel einzig zu „überleben“ stellte keinen ausreichenden Sinn dar.
 
Frankl: Man muss also den Lagerinsassen, sofern sich hie und da einmal die Gelegenheit hierzu bot, das „Warum“ ihres Lebens, ihr Lebensziel, bewusst machen, um so zu erreichen, dass sie auch dem furchtbaren „Wie“ des gegenwärtigen Daseins und den Schrecken des Lagerlebens innerlich gewachsen waren und standhalten konnten.“
 
Nach seiner Befreiung im April 1945 erfuhr Frankl, dass alle seine Angehörigen die KZ-Gräuel nicht überlebt hatten. (Einzig eine Schwester, die schon vorher nach Australien auswanderte, überlebte den Holocaust.) Diese Nachricht war ein Schicksalsschlag, den er fast nicht ertragen konnte. Er stand vor einer schwierigen Entscheidung: Soll ich jetzt meinem Leben ein Ende setzen oder soll ich weitermachen? Er entschied sich für das Weiterleben. Er sah in den unzähligen Schicksalen der Überlebenden des Holocaust, aber auch gegenüber der deutschen und österreichischen Bevölkerung, die das ganze Geschehen aufarbeiten musste, eine Aufgabe. Zeit seines Lebens verwahrte er sich gegen die Zuweisung einer Kollektivschuld. Für ihn gab es nicht ein Volk, das diese Gräuel verübte oder akzeptierte – für ihn hatte jeder Einzelne eine Entscheidung zu fällen. So sagt er sinngemäss: Es gab sie auch, die menschlichen Wachleute der SS, die sich um die Insassen bemühten – und es gab daneben die unmenschlichen Lagercapos, die aus den Reihen der Gefangenen rekrutiert wurden und ihre Leidensgenossen oft härter traktierten als die SS.